Seit inzwischen über 13 Jahren – wow, ich werde alt – arbeite ich als freiberuflicher Grafik-Designer, Illustrator und Art Director für Kunden in der ganzen Welt. Zwar arbeite ich teilweise direkt beim Kunden vor Ort, meist aber sitze ich alleine im Home Office. Home Office bedeutet in meinem Fall nicht, dass ich mit einem Laptop am Küchentisch sitze. Das wäre in vielerlei Hinsicht nicht sinnvoll, weder für meine Konzentration (bei 3 Kindern im Haus), noch für mein Gewicht (bei zu viel dauerhafter Nähe zum Kühlschrank und zum Süßigkeitenregal). Stattdessen habe ich einen festen Arbeitsplatz in einem eigenen Zimmer, das als Büro dient.
Innerhalb der letzten 12 Monate hat sich erstaunlich viel geändert, nicht zuletzt an unserer Sprache. Hände hoch: wer hätte 2019 komisch geschaut, wenn er die Nachrichten angeschaltet und folgenden Satz gehört hätte: „Das Security Personal vor dem Supermarkt hielt die maskierten Einkäufer dazu an, den Social Distancing Abstand zu wahren, da sowohl der R-Wert als auch die Inzidenzzahlen in diesem Landkreis in den letzten 7 Tagen sprunghaft angestiegen sind.“ Auch der Begriff Home Office ist in der alltäglichen Sprache angekommen, da viele Angestellte ihrer Tätigkeit neuerdings von zu Hause aus nachkommen, zumindest wenn es sich nicht gerade um Busfahrer, Briefträger oder Bäcker handelt (wobei ich mir eine Notiz mache, bei Gelegenheit einen eventuellen Zusammenhang zwischen Berufsgruppen mit dem Buchstaben B und der Präsenzunabdingbarkeit im Beruf zu prüfen). Für die vielen Menschen, die somit aus ihrem teilweise jahrzehntelang geprägten Arbeitsumfeld genommen werden, bringt das Home Office mitunter enorme Herausforderungen mit sich. Daher habe ich ein paar Tipps gesammelt, die ich heute teilen möchte.
Sicherlich trifft nicht jeder Tipp auf jeden zu. Aber meiner Meinung nach deckt es ein paar der wichtigsten Punkte ab, um effektiv und gerne von zuhause aus zu arbeiten.
Das scheint auf den ersten Blick offensichtlich. Aber mit „Etwas anziehen“ meine ich nicht nur, der Peinlichkeit aus dem Weg zu gehen, aus Versehen mit nacktem Oberkörper im Zoom Meeting zu sitzen. Vielmehr geht es darum, die von vielen geliebte Jogginghose oder den Schlabberpulli im Schrank hängen zu lassen. Aus meiner Erfahrung kann ich bestätigen, dass es einen Unterschied machen kann, wie gut ich aus dem „Freizeit-Modus“ in den „Arbeits-Modus“ komme, je nachdem wie ich mich kleide. Was mir im Home Office zum Beispiel nämlich fehlt, ist der Arbeitsweg. Zumindest ist er um etwa 99% reduziert. Das bedeutet, mein Kopf hat keine Chance, in Ruhe zu verarbeiten, dass bald die Arbeit losgeht. Daher unterstütze ich meinen Kopf darin, indem ich mich morgens fertig mache, als würde ich zur Arbeit gehen: ich dusche, rasiere mich, ziehe mich „ordentlich“ an. Ordentlich bedeutet natürlich nicht aufgedonnert, eher selten trage ich also Frack, Zylinder und Monokel. Es geht nicht darum, „Büro zu spielen“. Wenn Du normalerweise auf der Arbeit in Poloshirt und Jeans arbeitest, reicht das fürs Home Office komplett aus. Aber wenn Du im Büro mit Hemd und Krawatte arbeitest, wäre zumindest das Hemd auch meine Empfehlung für Dein Home Office.
Zusatztipp: Bereite Dich an jedem Montag Morgen so vor, als hättest Du direkt zu Arbeitsbeginn ein Meeting mit einem Kunden oder Deinem Team. Das fühlt sich anfangs vielleicht noch komisch an, aber Du könntest überrascht sein, wieviel Dein Outfit Deiner inneren Haltung helfen kann, gerade nach einem Wochenende.
Normalerweise starte ich meinen Arbeitstag im Home Office mit einem Blick auf meinen Kalender. Dort eingetragen sind neben anderen elementaren Dingen wie den Spielterminen meines Lieblingsfußballklubs (der hier ungenannt bleiben soll, da ich mir keine Sympathiepunkte verspielen möchte) auch die jeweiligen To Dos bzw. Abgabetermine für jeden Tag vermerkt. Das hilft mir, direkt einzuschätzen, ob ich mich zum Beispiel mit einer großen Aufgabe oder vielen kleinen Tasks beschäftigen werde, ob es Dinge gibt, die in den letzten Tagen liegen geblieben sind usw. Bewährt hat sich außerdem, mit den kleinen Aufgaben zu beginnen, da es sehr motivierend wirken kann, wenn man innerhalb der ersten Stunde schon mehrere Punkte für den Tag erledigt hat.
Zusatztipp: Eine zu volle To Do Liste kann genauso unproduktiv wirken wie eine zu leere To Do Liste. Versuche, ein gutes Gleichgewicht zu finden.
Wenn Du Dich auch schonmal am Ende eines 8-Stunden-Tages gefragt hast „Was hab ich heute eigentlich gemacht?“, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass Du Deine Zeit besser überprüfen solltest. Timetracking ist das Stichwort. Ob Du dieses TimeTracking allerdings per digitalem Tool durchführst – ich selbst benutze http://trackingtime.co und bin damit sehr zufrieden – oder ob Du Dir Notizen mit Edding auf Deinen Unterarm schreibst, ist dabei erstmal zweitrangig. Es geht darum, mittelfristig ein gutes Gespür dafür zu entwickeln, wie effektiv Du Deine Zeit im Büro nutzt. Selbst mir hilft es nach über 13 Jahren immer wieder sehr, am Ende eines Projektes sehen zu können, wieviel Zeit beispielsweise für Vor- und Nachbereitung, Korrespondenz oder Überarbeitungsrunden benötigt wurde.
Zusatztipp: Teile einzelne Projekte in Zwischenschritte – wie z. B. Vorbereitungsphase, Entwurfsphase, Überarbeitungsphase, Korrespondenz – ein, um auch die Aufwandsaufteilung innerhalb eines Projektes zu tracken.
Niemand kann über lange Zeit 8 Stunden am Stück konstruktiv arbeiten. Im Home Office ist meine Devise daher, dass ich öfters auch mal kurze Unterbrechungen einlege, in denen ich einmal durch den Garten renne, auf einen unserer Apfelbäume klettere oder meine Kinder ärgere. Wie Du Deine Pause genau nutzt ist zweitrangig, wichtig sind jedoch die Punkte Bewegung und frische Luft. Und genauso wichtig ist, was Du in dieser Zeit nicht machst: Kein Smartphone, kein Facebook, auch der Klogang zählt in diesem Sinne nicht als Pause. Diese Art von Pause soll dazu dienen, Deine grauen Zellen zu erfrischen. Lege diese kurzen Pausen außerdem nicht zu festen Zeiten ein, sondern dann, wenn Dein Körper sie tatsächlich braucht. Manchmal tut es gut, konzentriert 2 oder 3 Stunden ohne jegliche Unterbrechung zu arbeiten. So eine Powerphase sollte man nicht durch eine Pause unterbrechen.
Zusatztipp: Mach einen Tag pro Woche komplett Pause. Das biblische Prinzip eines Tages der Woche zum Ausruhen empfinde ich als überaus wertvoll und lebensnah. Es ist für Deinen Kopf & Körper wichtig, auch mal bewusst abzuschalten. Ich habe z. B. einen festen Ruhetag in der Woche, an dem ich auch nicht ans Telefon gehe und keine E-Mails checke. Meist ist es der Sonntag, je nach Auftragsart kann es aber auch mal der Samstag oder auch der Mittwoch sein. Es geht nicht um einen bestimmten Tag, sondern darum, einmal pro Woche wirklich abzuschalten und herunterzufahren. Langfristig wirst Du dadurch mehr Power und Motivation für Deine Arbeit finden.
Das Home Office ist nicht das gleiche wie das normale Büro. Glaubst Du nicht? Dann versuch einfach mal, im normalen Büro mit nackten Füßen auf dem Schreibtisch zu arbeiten oder lauthals Dein aktuelles Lieblingslied zu schmettern. Im Home Office ist das kein Problem. Aber eben diese Unterschiede können die Umstellung, in einer Woche 40 Stunden vom Home Office aus zu arbeiten auch mal schwierig machen. Vielleicht hast Du auch Kinder, die ab und zu reinschauen, Dich dann fragen, welcher Dein Lieblings Paw Patrol Pup ist oder ob sie Dir beim arbeiten helfen können. In Anbetracht Deiner neuen Arbeitssituation sei nachsichtig mit Dir selbst. Wir sind alle Menschen und wissen, dass Arbeit von zu Hause aus schwierig sein kann. Auf der anderen Seite nutze auch die neuen Möglichkeiten: Ich habe z. B. eine Zeit lang zwischen 3 und 4 Uhr morgens mit der Arbeit begonnen und habe so ein paar Stunden echte Ruhe gehabt – ohne ankommende E-Mails, Telefonanrufe oder DHL Lieferanten – und wenn die üblichen Bürozeiten um 8 Uhr dann starteten, hatte ich schon einen ordentlichen Berg an Arbeit erledigt. Vielleicht wirst Du aber auch überrascht sein, wie konstruktiv Du an einem Frühlingstag auf dem Balkon arbeiten kannst oder wie sehr Dein Lieblingssessel im Wohnzimmer Dir beim Nachdenken hilft.
Zusatztipp: Sei kreativ und mutig in der Nutzung der Möglichkeiten im Home Office. Wage Neues, streiche das, was nicht funktioniert, und pflege die gut funktionierenden Aspekte.